Brody, Jessica:Treuetest - Roman
- signiertes Exemplar 2009, ISBN: 3641026571
In englischer Sprache. Verlag: Heyne, Der Mann, den ich suchte, hatte es sich an einem der Tische am Rande der Hotelbar gem?tlich gemacht. Dunkles Haar, dunkler Anzug, Krawatte gelockert,… Mehr…
In englischer Sprache. Verlag: Heyne, Der Mann, den ich suchte, hatte es sich an einem der Tische am Rande der Hotelbar gem?tlich gemacht. Dunkles Haar, dunkler Anzug, Krawatte gelockert, oberster Hemdknopf offen. Er hatte den linken Arm ?ber die R?cklehne der Sitzbank drapiert, trommelte mit den Fingern im Takt der dezenten Loungemusik auf den roten Samt und nahm dann und wann einen Schluck von seinem Schlummertrunk. Ich stand im Durchgang zur Hotellobby und beobachtete ihn unbemerkt. Er langweilte sich. Wartete auf Unterhaltung, Zerstreuung. Zumindest f?r diesen Abend. Er lie?sein geschultes Auge durch den Raum schweifen und taxierte das einzige weibliche Wesen in der Bar: Bundfaltenhose, biederer Rollkragenpulli. Resigniert wandte er den Blick ab und nippte erneut an seinem Drink. Das war mein Zeichen. Ich strich mir eine lose Haarstr?e aus der Stirn und betrat die Bar. Ganz gem?lich, damit er auch wirklich von mir Notiz nehmen konnte, was aufgrund der ?bersichtlichen Anzahl an G?en und seiner bereits gesch?ten Wahrnehmung nicht weiter schwierig war. Manchmal ist einem das Gl?ck eben besonders hold. Normalerweise sehen sie zuerst auf die Beine. Die meisten M?er haben eine Schw?e f?r nackte Beine. Tatsache. Vor zwei Jahren h?e ich noch behauptet, die Gesamtheit der heterosexuellen M?er w?rde zu gleichen Teilen auf Beine, Po oder Br?ste sehen (die "Dreifaltigkeit der weiblichen Reize", wie ich es nenne). Doch inzwischen wei?ich: Die Mehrheit guckt zuerst auf die Beine. Ich habe trotzdem immer drei Outfits im Gep?, die je ein Element der Dreifaltigkeit besonders betonen. Nur f?r alle F?e. Aber ich fange immer mit den Beinen an, und ich liege selten falsch damit. Ich war auf Firmenflittchen getrimmt: knappes schwarzes Kost?m, schwarze Riemchensandalen von Manolo, keine Strumpfhose. Seri?s, aber durchaus freiz?gig. Ein Ensemble, das signalisiert: Ich will ernst genommen werden - aber es gef?t mir auch, wenn ich von den M?ern bemerkt werde. In meinem Fall geht es nicht darum, ob es mir gef?t, bemerkt zu werden. Es geh?rt zu meinem Job, bemerkt zu werden. Ich erledige nur meine Arbeit, auch wenn manch einer diesen Aspekt kritisch sieht. Im Grunde war es ziemlich einerlei, ob ich es mit einem Beinfetischisten zu tun hatte oder nicht, als sein Blick erst einmal von meinen Kn?cheln ?ber die Schenkel nach oben bis zum Saum meines Minirocks gewandert war. Nat?rlich h?rte er dort nicht auf; das tun die wenigsten. Allerdings k?nnen sie sich ab hier nicht mehr auf die Augen verlassen. Vom Rocksaum aufw?s ist die Fantasie gefordert. Ich stolzierte an seinem Tisch vor?ber zum Tresen, als w?rde ich seine hungrigen Blicke nicht bemerken, und nahm auf einem der Barhocker Platz. "Grey Goose Wodka Gimlet, bitte." Der Barkeeper nickte, erfreut dar?ber, dass es an diesem ereignislosen Mittwochabend endlich etwas zu tun gab (abgesehen vom Polieren der Martinigl?r), und legte mir eine Cocktailserviette hin. Mit einem ermatteten Seufzer st?tzte ich einen Ellbogen auf den Tresen und verfolgte, das Kinn in die Hand gest?tzt, wie mein Drink gemixt wurde. Meine K?rpersprache signalisierte ?erdruss. Langer Tag, lange Reise, lange, einsame Nacht in Aussicht. Es wirkte. Als mir der Barkeeper meinen Drink servierte und ich nach dem Portemonnaie griff, registrierte ich aus dem Augenwinkel, wie eine druckfrische Hundertdollarnote ?ber den Tresen geschoben wurde. "Das geht auf mich." Ich wandte den Kopf und musterte meinen G?nner etwas verdutzt, als h?e ich ?berhaupt nicht mit seinem Erscheinen gerechnet. Wie sollte ich auch? "Sehr liebensw?rdig, danke", sagte ich. Er grinste schmierig. "Gern geschehen." Ich sa?in dieser Bar, weil ich etwa eine Woche zuvor einen Anruf bekommen hatte. Von einer Frau, die meine Hilfe ben?tigte. Das tut jeder, der diese spezielle Nummer w?t. Genau deshalb gibt es die Nummer ja auch. Wir hatten ein Treffen f?r den darauffolgenden Tag vereinbart. "Ich komme zu Ihnen", hatte ich wie immer angeboten. Wer besagte Nummer w?t, will diese Unterredung normalerweise in vertrauter Umgebung hinter sich bringen. Und so fand ich mich tags darauf in ihrem gro?n, elegant eingerichteten Wohnzimmer wieder und h?rte mir ihre Geschichte an. Das ?liche. Ich hatte sie bestimmt schon mindestens zweihundert Mal geh?rt, mal mit leichten Abweichungen, mal beinahe Wort f?r Wort gleichlautend. Aber das Motiv war stets dasselbe: Angst. "Das hier hat unser Hausm?hen neulich beim Waschen in der Hosentasche meines Mannes gefunden." Sie griff nach einem kleinen, zerknitterten Zettel auf dem Sofatisch, studierte ihn in Gedanken versunken, als hoffte sie, wenn sie ihn zum hundertundzweiten Mal las, w?rde dort pl?tzlich etwas anderes stehen, oder es w?rde sich eine neue, weniger unerfreuliche Erkl?ng daf?r finden, damit sie mich nach Hause schicken konnte. Vergeblich. Mit einem bedr?ckten Seufzen reichte sie mir widerstrebend das St?ck Papier und putzte sich mit einem gebrauchten Kleenex die Nase. "Entschuldigen Sie, ich bin v?llig durch den Wind. Ich kann nicht fassen, was ich hier mache." Ich betrachtete die handgeschriebene Notiz und nickte verst?nisvoll. "Es war gut, dass Sie mich angerufen haben. Klarheit zu schaffen, ist auf alle F?e besser als sich st?ig mit Fragen zu qu?n, nicht wahr?" Sie starrte mich zweifelnd an. "Vermutlich, ja." "Es ist besser", versicherte ich ihr, wie schon unz?igen Frauen vor ihr. "Vertrauen Sie mir." Manchmal ist es f?r die Betroffenen in einer solchen Situation nicht leicht, das zu erkennen. Genauer gesagt, wollen es manche Frauen einfach nicht wahrhaben. Herz und Verstand sind sich in derartigen Angelegenheiten nur allzu oft uneins. "Was k?nnte das Ihrer Ansicht nach bedeuten?" Sie zeigte auf den zerknitterten Zettel in meiner Hand. Ich fuhr mit der Daumenkuppe ?ber die schwarze Tinte. "Schwer zu sagen", erwiderte ich wahrheitsgetreu. "Solche Zettel sehe ich oft. Manche entpuppen sich als harmlos, andere wiederum" - ich legte eine Pause ein, damit sie sich seelisch darauf einstellen konnte - "sind nicht ganz so harmlos." Sie wandte sich mit Tr?n in den Augen ab und seufzte brunnentief. "Die Freundin, die mir Ihre Dienste empfohlen hat, meinte, Sie w?rden eine Art Test durchf?hren." Ich sah meinem Gegen?ber in die Augen, w?end wir einander zuprosteten und dann synchron die Gl?r zum Mund f?hrten. 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