Die Jesus-Deutung von Ernst Troeltsch im Kontext der liberalen Theologie: Diss. (Beiträge zur historischen Theologie, Band 99) - Erstausgabe

Das Jesusbild von Ernst Troeltsch steht im Mittelpunkt dieser Studie und ist der Ausgangspunkt für eine Neubewertung seines weitverzweigten theologischen Werkes. In der historischen Rückbesinnung auf die klassische Moderne der evangelischen Theologie versucht Johann Hinrich Claussen Bausteine für eine systematische Bewältigung gegenwärtiger Problemfelder (Pluralismus, Individualisierung, Bedeutungsverlust christlicher Ethik) zu gewinnen. Dadurch fällt auch ein neues Licht auf Troeltsch. Er erscheint nicht mehr ausschließlich als Krisenanalytiker und 'Resignationstheologe'; vielmehr finden sich bei ihm Ansätze für eine zeitgemäße Christologie. Als führendes Mitglied der 'Religionsgeschichtlichen Schule' versuchte Ernst Troeltsch die epochalen Umbrüche in der neutestamentlichen Forschung der Jahrhundertwende theologisch zu verarbeiten. Im Vordergrund stand die Entdeckung der Eschatologie Jesu. Sie veränderte das Jesusbild und das Selbstverständnis des liberalen Protestantismus. Troeltsch formulierte daraufhin das dialektische Programm eines gebrochenen Kulturprotestantismus, der eine vollständige Synthese von christlicher Religion und moderner Kultur ebenso ablehnt wie die radikale Trennung beider Größen. Als Repräsentant des deutschen Historismus unterzog Troeltsch die Christologie einer umfassenden Umformung und Historisierung. Er nahm Abschied von naiven Ansprüchen auf universale Geltung und versuchte auf neuen Wegen, die unüberbietbare Bedeutung des Jesusbildes für ein europäisches Christentum darzustellen. Johann Hinrich Claussen erschließt bisher wenig bekannte Diskussionen über die Deutung der israelitischen und frühchristlichen Religionsgeschichte. Die Debatten, die um die Jahrhundertwende über die Propheten, Jesus und Paulus über die Fachgrenzen hinweg geführt wurden, sind zwar relativ unbekannt, besitzen aber ein Niveau, wie es später kaum wieder erreicht wurde. Claussen korrigiert in diesem Zusammenhang auch eingeschliffene Urteile über Troeltsch und den von ihm repräsentierten Kulturprotestantismus. TML>