WEBER, Peter:Silber und Salbader. Roman
- gebunden oder broschiert 1999, ISBN: 9783518410660
[ED: Hardcover/gebunden], [PU: Suhrkamp Verlag], ORIGINAL VERPACKT - PETER WEBER - SILBER UND SALBADER - ROMAN - SURHKAMP VERLAG - 294 SEITEN - FORMAT ca. 20,5 x 12,5 x 2,5 cm - ISBN 3518… Mehr…
[ED: Hardcover/gebunden], [PU: Suhrkamp Verlag], ORIGINAL VERPACKT - PETER WEBER - SILBER UND SALBADER - ROMAN - SURHKAMP VERLAG - 294 SEITEN - FORMAT ca. 20,5 x 12,5 x 2,5 cm - ISBN 3518410660 - GEBUNDENE AUSGABE MIT SCHUTZUMSCHLAG WIE ABGEBILDET - DAS EXEMPLAR IST UNBENUTZT, UNGELESEN UND NOCH ORIGINAL VERPACKT (IN FOLIE EINGESCHWEISST) - SORGFÄLTIGER VERSAND - LIEFERZEIT/ BRD ca. 7 TAGE nach Zahlungseingang (manchmal schneller) - ANFRAGEN WERDEN GERN BEANTWORTET! (a/b - 3 z1) -
Die Selbstheilung des Wendelin Selb - Peter Webers Roman «Silber und Salbader» -
Sechs Jahre sind seit Peter Webers erstaunlichem Romanerstling «Der Wettermacher» vergangen. Mochte es danach lange ruhig gewesen sein um den 1968 geborenen Autor, so spürte man doch immer seine Gegenwart in den literarischen Zirkeln. Lesend und maultrommelnd konnte man ihm begegnen; dann wieder knüpfte er an einem unsichtbaren Netz, oder er liess sich von Theatermachern, Musikern und bildenden Künstlern anregen. Bisweilen aber bangte man um sein zweites Buch, gar ein wenig um ihn selber; das Schreiben schien mit einer immensen Anstrengung verbunden zu sein. Nun ist das Buch da, und es lässt im Titel jene Musikalität anklingen, die auch im «Wettermacher» die Tonlage bestimmt hatte und inzwischen vielfach verfeinert und um kühne Nuancen bereichert worden ist: «Silber und Salbader». -
Der Roman handelt in seinem ersten Kapitel von einer Begebenheit, die man als Parabel auf das Buch und dessen Entstehung begreifen könnte. Berichtet wird von der «sachgerechten Fassung einer versiegten Quelle» und den Fehlern, die dem Ich-Erzähler in Ausübung dieser nicht alltäglichen Tätigkeit unterlaufen. Ist die Quelle, genauer: die Heilquelle, einmal neu gefasst, soll ihr Wasser fliessen. Allein, es schiesst mehr, als es fliesst, und «zur Faust geballt» schmettert der heisse Wasserstrahl den Erzähler gegen die Wand. Eine «dunkle Ader» habe er gezapft, gesättigt mit Vergangenheit: «lauter Fäden aus vergangenen Zeiten». In seiner Unvorsichtigkeit habe er zumal vergessen, «die Bassfallen zu stellen»: «kleine Auffangbecken für die Untertöne hätten gereicht, so hätte ich das heisse Erstwasser, dem ich mich nackt ausgesetzt habe, abführen können». Zu viele Fehler auf einmal, denkt man, auch wenn man, vorerst, nichts oder nur wenig versteht. -
Schwerer Brocken -
Soviel aber glaubt man begriffen zu haben: einem Autor mag es zuweilen ergehen wie Peter Webers Ich-Erzähler in «Silber und Salbader». Versiegen die Quellen, gilt es neue zu fassen; dies freilich ist auch dann nicht gefahrlos, wenn es sich um metaphorische handelt. Vielleicht nicht auf eine «dunkle Ader» ist Peter Weber in seinem zweiten Roman gestossen, aber ohne Zweifel hat sich die Quelle über ihn wie eine Sturzflut ergossen; auch hat er es unterlassen, «Bassfallen» aufzustellen, um die Untertöne herauszufiltern, sprich: das Geschiebe sedimentieren zu lassen, das Nötige aus dem Überschüssigen herauszufiltern und das Zwingende vom Beiläufigen zu trennen. Peter Weber hat seinen Lesern einen schweren, einen sperrigen Brocken aufgegeben: Nur mit Mühe ist der Stoff zu überblicken, und selten findet die Fülle auch zur Form. -
Nun hat es die Kunst auch mit dem Chaos zu tun. Doch kommt sie ihm bei, indem sie es tautologisch nachbildet? Peter Weber versucht in «Silber und Salbader» genau das. Zum Verhängnis wird ihm dabei der Verzicht auf jegliche Ökonomie. Zwar hatte sich schon im «Wettermacher» der Autor «in den Erzählfluss geworfen»; gleichzeitig aber hatte sich Peter Weber dort einen strengen Formwillen abverlangt; dies vermisst man in «Silber und Salbader». -
Es beginnt mit der ungezügelten sprachlichen Erfindungslust, setzt sich im fabelhaften Gedankenreichtum fort und wird durch die fortwährende Verschachtelung der Geschichten und Schauplätze ins Masslose gesteigert. Das war, so wird man mit gutem Grund einwenden, beim «Wettermacher» nicht wesentlich anders. Nur wurde dort die irrwitzige Vervielfältigung und Spiegelung des Geschehens von einem Basso continuo getragen: dem rätselhaften Selbstmord von August Abraham Abderhaldens Bruder. Ihm, dem toten Bruder, galt die Erzählung. «Silber und Salbader» entbehrt einer solchen in den Text eingelassenen Armierung. -
Wir begegnen dem Protagonisten und zeitweiligen Ich-Erzähler, Wendelin Selb, genannt Silber, 1967 «im Sommer der Liebe sonnenhalb im Freien und unter Einfluss der Schweizer Hirnsäure gezeugt», erstmals im Bäderhotel Rose im aargauischen Baden, «wo er als Gegenwart amtet». Seit einer Woche hat er sich im heruntergekommenen Bäderhotel eingerichtet und die Heilquelle nach den geschilderten anfänglichen Kalamitäten unter gütiger Beihilfe seiner Freundin Pina wieder zum Fliessen gebracht. Das gibt ihm Anlass, «meine jüngste Vergangenheit» oder «die Patientengeschichte von Wendelin Selb» aufzuzeichnen. Die Erzählung blendet um ein gutes Jahr zurück und schildert darin die Reise Selbs von Zürich über Bad Ragaz nach Ziegelbrücke, von da in ein mythisch-fiktives Gelände, genannt Tal der Rasch, das an das Obertoggenburg des «Wettermachers» erinnert, sowie schliesslich die Ankunft Selbs in Baden. Damit mündet das Romanende in den Anfang und setzt dem Erzählten eine äussere Grenze. -
Dieses karge Handlungsgerüst schmückt der Erzähler nun mit einer überwältigenden, ja grotesken Fülle von Geschichten, Legenden, Pseudo-Mythologien und Genealogien aus. Erzählfaden um Erzählfaden knüpft er zu einem immer dichteren und unübersichtlicheren Geflecht, als wäre er eine moderne Scheherazade: solange die Erzählung anhält, solange die Geschichten nicht ausgehen, dauert das Leben fort, so lange aber ist der Erzähler auch der Gefangene seiner selbst. Eine Geschichte der Textilindustrie im Toggenburg zeichnet er auf; seine Patientengeschichte ist die Geschichte seiner Liebeskrankheit; mit der Erdgeschichte gibt er sich ab; mit Quellen- und Heilkunde ist er ohnehin und vordringlich beschäftigt; der Geschichte des (fiktiven) Wandermönchs und Klostergründers Ruscelus widmet er sich mit besonderer Hingabe, und nebenbei kapriziert er sich auch noch auf einen neuen Gründungsmythos der Schweiz. -
Imaginäres Matriarchat -
Unter den Geschichten ist die der Familie Selb – die vor allem eine Geschichte der Mütter und Frauen ist – die eindrücklichste. Gewiss, die Männer sind tatkräftig, sind Monteure, Tüftler, Erfinder oder Bastler, aber immer ein wenig lebensuntauglich und trotz ihrer Weltläufigkeit etwas weltfremd. Silbers Grossvater trug zwar massgeblich zur Entwicklung des «heiss gekräuselten, mechanisch versponnenen und gegenläufig verzwirnten künstlichen Garns» bei, musste dann aber von Elma Selb, seiner späteren Frau, aus seinem Fieberwahn «in einem Wannenbad sorgsam wachgesungen» werden. Die so und anders gezwirnten Fäden also halten die Frauen in der Hand, diskret, aber bestimmt. Auch nehmen die Männer und Kinder bei Heirat und Geburt den Namen der Frauen und Mütter an. Allein, was eine subtile Geschichte eines imaginären Matriarchats sein könnte, wird unablässig durch neu herandrängende Motive wieder verschüttet. -
In einer zur Zeitachse gegenläufigen Bewegung greift der Roman immer weiter in die Vergangenheit und ins Reich der Mütter zurück. An Hermann Burger denkt man zuweilen, und an die «Künstliche Mutter», und liegt dennoch falsch. Es sind Genesungsgeschichten, die Silber erzählt, und mit der Hommage an die Heilkräfte der Mütter kuriert er sich selber. Die Rückblende erschöpft sich im Augenblick, wo sie die Jetztzeit erreicht. Dort freilich trifft Silber nicht nur auf die Gegenwart: er findet ausserdem die ganze Vergangenheit vor. Unter römische Legionäre mischen sich auf dem Kurplatz habsburgische Reiter und Alemannenhorden. -
Erzählend ist Silber zurückgekommen: während seiner Erzählung indessen ist die Gegenwart eine andere geworden. So wird, zuletzt, dieser sperrige, dieser unförmige und krause Roman zu einer Parabel auf die Verwandlung des Seienden kraft des Erzählens: die Heilkräfte werden mit der poetischen Kraft enggeführt. Solange Scheherazade spricht, bleibt sie am Leben. Die Welt wird danach aber eine andere sein als zuvor. Das mag in diesem Fall auch für den Autor gelten, der sich hier von einem erdrückenden Stoff unter sichtlich grosser Anstrengung freigeschrieben hat. Es sind ihm dabei mitunter ganz wunderbare Geschichten gelungen. Übers Ganze gesehen aber vermisst man die Leichtigkeit, die Klarheit und jene Zurückhaltung, die mehr weiss, als sie ausspricht. (Roman Bucheli, Neue Zürcher Zeitung) -
Hans-Peter Kunisch ist von der geradezu surrealistisch anmutenden Sprache Peter Webers äußerst angetan: Von "Geräuschkörnern" ist da die Rede, von "durchs Wasser ziehenden Geräuschwellen" und "Glücksgefühl, das an den Beckenrändern aufklatscht". Kunisch fühlt sich bisweilen an den frühen Robert Musil erinnert: " - diese Verräumlichung, Materialisierung von Gefühlen". Lediglich dort, wo Peter Weber seine Fantasie zügele, um eine realitätsnahe Geschichte zu erzählen, zeige das Buch Schwächen. Dass Webers üppig barocker Sprachstil den Leser auf die Dauer überfordern könnte, glaubt der Rezensent nicht. Für ihn ist das "Wörter- und Sätzeabschmecken, ein Riechen und Fühlen von Sprache" ein Genuss. Zu müde sollte man beim Lesen allerdings nicht sein. (Die Zeit, 14.10.1999), DE, [SC: 2.80], wie neu, privates Angebot, ca. 20,5 x 12,5 x 2,5 cm, 294 Seiten, [GW: 510g], [PU: Frankfurt a. M.], Banküberweisung, Internationaler Versand, [CT: Länder und Reisen / Schweiz]<